Briefe sind die fliegenden Teppiche ins Reich der Phantasie

Briefe sind die fliegenden Teppiche ins Reich der Phantasie

Dieses schöne Zitat stammt von James Daniel… und er hat recht. Wann habt Ihr zum letzten mal einen Brief geschrieben? Und ich meine keine Rechnung, keine Bewerbung, keinen Brief an die Bank, die GEZ, den Steuerberater oder die Krankenkasse. Ich meine einen klassischen Brief. Einen Brief wie man ihn noch aus alten Zeiten kennt. Einen Brief der Informationen enthält, keine Dokumente. einen Brief, der Gefühle enthält, der Freude macht, der mit Liebe geschrieben ist. Lange her?

Ich mus zugeben: Auch ich habe eine lange Briefpause hinter mir. Das ist ja auch nicht verwunderlich, immerhin habe ich zu jeder Tages- und Nachtzeit die Möglichkeit eine E-Mail zu verfassen und zu versenden. Ganz bequem von meinem Smartphone oder Rechner aus. Und diese E-Mail ist sogar in Sekundenschnelle beim Empfänger und mit ihr meine netten Worte und guten Wünsche.

Mit dem Brief verhält sich das ja bekanntlich etwas anders: Wenn ich mich entschließe einem guten Freund einen Brief zu schreiben benötige ich erst einmal Dinge, die für Viele von uns gar nicht mehr so selbstverständlich in den Alltag integriert sind: Papier (schön sollte es sein – Briefpapier oder Büttenpapier vielleicht…), einen Umschlag (Und der sollte am besten noch zum Papier passen und sich von Rechnungen oder anderen weniger erfreulichen Dingen im Briefkasten abheben), einen Stift (Aber nicht unbedingt der Kugelschreiber. Es sollte doch ein schöner Stift sein… gut in der Hand sollte er liegen, ein schönes Schriftbild unterstützen und vielleicht auch ein bischen besonders sein), eine Briefmarke (Wie muss so ein Standartbrief noch mal frankiert werden?) und nicht zuletzt: Die Adresse des Freundes  (Seid doch mal ehrlich: Wisst Ihr immer die Anschrift Eurer Freunde, oder habt Ihr nur Telefonnummern und E-Mail-Adressen in Euren Adressbüchern?)

Gut… jetzt war ich unterwegs und habe mir alles besogt um einen schönen Brief zu schreiben. Die Daily-Soap oder das Lesen in meinem aktuellen Schmöker fällt dann heute Abend eben aus: Ich setze mich seit langer Zeit mal wieder  an meinen Schreibtisch, der eigentlich nur noch als Ablagefläche dient (Das Notebook liegt ja im Wohnzimmer und hier sammelt sich nur Aktenkram der darauf wartet in die entsprechenden Ordner sortiert zu werden.) Schiebe den ganzen Krempel beiseite, entfalte das erste Blatt, befülle den Füller seit langem mal wieder mit Tinte und… beginne promt auf dem guten Stück herumzukauen. Was schreib ich nur?

Ich weiß von alters her, daß man entfernten Freunden gar nicht schreibt, wenn man darauf warten will, bis man ihnen etwas zu schreiben hat.

(Johan Wolfgang von Goethe)

Was schreibe ich den für gewöhnlich in E-Mails? “ Hallo Du, wollt dich nur fragen, ob Du morgen Zeit und Lust hast was zu unternehmen. würd mich freuen. LG“ Hm… das würde aber ein sehr kurzer Brief werden.

Ein Brief soll doch kein Tatsachendokument sein, sondern ein Luftzug, der mich in die Atmosphäre des anderen versetzt.
(Kurt Tuchosky)

Briefe sind anders.

Briefe sind Stimmungskinder.

(Christian Morgenstern)

Briefe sind emotional. Mein Freund kann schon an meiner Handschrift erkennen, ob ich fröhlich oder traurig bin. Am Briefpapier und am verwendeten Schreibinstrument liest er Gefühle ab. Alles was ich in einen Brief schreibe spiegelt mich wieder. Mein Ich, wie es im Augenblick des Schreiben ist. Ich schreibe in Briefen viel gefühlvoller als in jeder E-Mail. Also rauf aufs Blatt mit den Emotionen…. Ich setze den Füller an und – klecks – och neeeeeeeeeeee…. ein Bogen Büttenpapier versaut (So ein Füller ist eben kein Kugelschreiber). Ich zerknülle ihn und werfe ihn in den Papierkorb. der zweite Versuch: Das geht schon besser- keine Kleckse. Nach dem ersten Absatz in dem ich euphorisch berichte, dass ich mich dazu entschlossen habe wieder mehr Briefe zu schreiben und was ich hierfür alles besorgt habe betrachte ich den aktuellen Stand meines Werkes. Krumm. alles schief und krumm. Ich kann nicht gerade schreiben. alle Zeilen verlaufen bogenförmig und meine Handschrift sieht auch wirklich schrecklich aus. Ohje. Bevor ich einen weiteren Versuch starte schreibe ich ein paar Wörter auf ein neutrales Blatt. Meine Hand scheint irgendwie eingerostet. So lange habe ich keinen Füller mehr gehalten. Nach einem kompletten Collageblockblatt mit Wörtern, Schwüngen und einzelnen Buchstaben wage ich den dritten Versuch: Ich bemühe mich nun meine Zeilen gerade zu halten, Abstände einzuhalten, die länge der einzelnen Wörter so abzuschätzen, dass ich am Ende der Zeile nicht seltsam trennen muss. Ich mache mir Gedanken über Absätze, rücke die darauf folgende Zeile sogar ein Stück ein… Oh nein! wie peinlich! Ein Rechtschreibfehler. Aber was für einer.. wie peinlich. alles noch mal von vorne? Nein… nein, das muss nun wirklich nicht sein. Tintenkiller? Nein! das ist schwarz-blaue Tinte, die kann man nicht killen. hm…. ich nehm’s mit Humor. Hinter dem fehlerhaften Wort landet ein (oops!) und weiter geht’s. Ich schreibe von Erlebnissen, von Wünschen, von Träumen. Ich schreibe über mich, über Uns, über einen guten Freund (den Empfänger), über gemeinsame Erlebnisse, gemeisname Pläne.

Einen Brief zu schreiben, ist ein guter Weg um irgendwohin zu reisen ohne etwas zu bewegen außer dem Herz.
(Phyllis Theroux)
Die Reise endet schließlich mit netten, witzigen Worten, die zeigen, dass ich auf Antwort hoffe. Noch mit Schwung die eigene Unterschrift – fertig.
Fertig? wirklich fertig? Gut, der Brief ist schön, aber einer der bedeutensten Unterschiede von Brief und E-Mail ist doch, dass der Brief in ein Kuvert kommt. Ein Umschlag, der viele Seiten zusammenhält, der gewährleistet, dass alles, was ich hineinstecke auch beim Empfänger ankommt. Alles was ich hineinstecke? Also nicht nur Papier! In einem Briefumschlag finden auch nette Kleinigkeiten, schöne Erinnerungen und persönliche Dinge Platz. Ich kann Fotos beilegen (ja, klar an eine Mail ist auch schnell ein Foto angehängt, aber ein Abzug eines alten Bildes, den ich mir gleich an die Pinwand hängen kann ist doch ein wenig anders, oder nicht?). Schön sind auch kleine Geschenke: Gutscheine, Blumensamen, vielleicht eine kleine Packung Badezusatz, eine schöne Feder die ich bei einem Spaziegang aufgehoben habe, ein gepresstes Blatt, eine getrockenete Blume aus dem Garten, ein schönes Lesezeichen, niedliche Aufkleber, Luftballons, Konfetti und Glitzerstaub, ein Päckchen Brause, Teeblätter oder- beutel, eine kleine Packung Gummibärchen, ein Schlüsselanhänger, eine schöne Zeichnung, ein Kreuzworträtsel… So viele schöne Dinge können durch einen Brief den Weg zu einer lieben Person finden. Ich entscheide mich für Blumensamen. Bald ist die perfekte Zeit zum Aussähen gekommen. „Ein bunter Blumenstraus für dich!“ Rein in den Umschlag, Brief dazu, Umschlag zu, Adresse und Marke drauf, fertig… Ich gestalte meinen Brief auch von außen noch mit meinem persönlichen Siegel in einer schönen Farbe und lege ihn neben meinen Schlüsselbund im Flur. Morgen werde ich den Brief einwerfen.
Am kommenden Tag werfe ich den Brief ein. Er wird also wahrscheinlich erst morgen im Briefkasten meines Freundes liegen. E-Mails sind schneller. Egal. Ich habe Dinge geschrieben, die nichts mit dem gewöhnlichen Mailverkehr zu tun haben. Das ist eine ganz andere Art von Austausch, die auf digitalem Wege so gar nicht funktionieren würde. Egal, wann mein Brief ankommt: Der Empfänger wird sich freuen. Es gibt hier kein zu spät. Briefe sind immer schön. Sind zeitlos. Sind persönlich.

Die Kunst des Briefeschreibens ist nichts anderes als die Kunst, die Arme zu verlängern.

(Denis Diderot)

Der Empfänger hat sich übrigens wirklich sehr gefreut. Das habe ich allerdings nicht per SMS erfahren, sondern in einem Antwortbrief. Jetzt weiß ich, dass auch andere Leute bei Ihren ersten Briefen nach langer Zeit erst einmal klecksen und schräg schreiben, dass es normal ist, wenn man keine Briefmarken im Haus hat und dass mein Blumenstraus zum einpflanzen jemandem nach einem anstrengenden Tag ein andauerndes Lächeln aufs Gesicht gezaubert hat.

Vielleicht habt Ihr jetzt ja auch Lust Briefe zu schreiben und im Gegenzug auch Briefe zu bekommen. Ich wünsche euch viel Spaß dabei!

 

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P.S.:

Entschuldigen Sie, dass der Brief so lang geworden ist, ich hatte keine Zeit für einen kürzeren.

(Johann Wolfgang von Goehte)
 
 

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